Skalieren ist das Zauberwort der Wirtschaft. Wachsen, expandieren, die Umsätze steigern und die Produktions- und Stückkosten dabei möglichst senken. So führt man ein erfolgreiches und vor allem ertragreiches Geschäft. Besonders gut funktioniert das Skalieren, wenn man sich auf digitale Produkte konzentriert, denn diese lassen sich einfach und günstig vervielfältigen.
Binnen kurzer Zeit sind beispielsweise Facebook, Airbnb, Uber oder Alibaba so zu den Marktführern in ihrer Branche geworden – und das ganz ohne eigene Inhalte, Unterkünfte, Fahrzeuge, Waren oder Lager zur Verfügung zu stellen. Das Produkt dieser Firmen ist rein digital, sie liefern im Prinzip nur die Plattform, auf der sie Kunden und Dienstleister miteinander vernetzen.
In der globalisierten, “analogen” Warenwelt geht das Skalieren hingegen leider oftmals auf Kosten derer, die am Ende der Wertschöpfungskette stehen: Diejenigen, die letztendlich die Waren produzieren, verdienen in der Regel am wenigsten daran. Gibt es irgendwo auf der Welt einen günstigeren Zulieferer, der zumindest eine vergleichbare Qualität liefert, so wird halt umgesattelt. Ob ein Bauteil aus Bayreuth oder Bangladesh kommt spielt im Endeffekt keine große Rolle mehr.
Nachhaltigkeit und Fairness sind nur selten wirtschaftlich
Dadurch haben haben selbst jene Konsumenten, die auf nachhaltig und fair produzierte Waren Wert legen in vielen Bereichen kaum noch eine Chance, dies auch in der Praxis umzusetzen. Ja, es gibt sie, die fair produzierte Jeans, aber nicht in der passenden Größe. Und ja, man kann auch ein ansatzweise nachhaltig hergestelltes Smartphone kaufen, allerdings nicht mit den gesuchten Features. Und selbst wenn man kompromissbereit ist und auf der Suche nach einem nachhaltigen Produkt fündig wird, bleibt die Frage, ob das für alle Schritte des Herstellungsprozesses gilt.
Made in… gibt es doch gar nicht mehr
Wie viel “Fair-Trade” oder “Bio” steckt am Ende wirklich in einer Jeans, die letztendlich auf der ganzen Welt hergestellt wurde? Wird die zertifizierte Bio-Baumwolle vielleicht doch unter unwürdigen Bedingungen in Asien zu Garn versponnen und gefärbt, bevor das Garn in Osteuropa zu fairen Bedingungen zu Jeans-Stoff verwoben wird, der dann wiederum in Asien geschnitten und zu einer Hose vernäht wird? In vielen Branchen haben nicht einmal die Händler mehr die Möglichkeit zu kontrollieren, inwieweit ihre Waren letztendlich ökologisch oder fair produziert werden.
Am Ende bleibt die Frage, ob sich beispielsweise auch faire Arbeitsbedingungen oder nachhaltig gewonnene Rohstoffe skalieren lassen, ggf. sogar unabhängig vom Produkt, das durch sie entsteht. Nicht nur die Warenwirtschaft ist global vernetzt, sondern mehr denn je auch die Menschen, die hinter den Produkten stehen. Warum sollte man dem Näher einer Jeans nicht ebenso ein Trinkgeld geben können wie dem Airbnb-Gastgeber oder dem Uber-Fahrer?
Mit Hilfe digitaler Technologien wie beispielsweise der Blockchain ließen sich technisch gesehen auch bei komplexen Lieferketten alle Produzenten, Lieferanten, (Weiter-)Verarbeiter, Dienstleister etc. eines Produkts erfassen und zurückverfolgen. Über eine Online-Plattform könnten Konsumenten, die darauf Wert legen, einen finanziellen Beitrag zur fairen Entlohnung der Produzenten oder zur nachhaltigen Gewinnung der Rohstoffe beitragen.
Natürlich stellt sich dabei gleich die Frage, wie man sicherstellt, dass dieses Trinkgeld auch an entsprechender Stelle ankommt. Doch genau wie der Uber-Fahrer und auch der Airbnb-Host ist auch der Näher einer Jeans in Bangladesh online, vernetzt und damit nur wenige Klicks entfernt. Sei es Fluch oder Segen: Fakt ist, dass es an erhobenen Daten eigentlich nicht mangelt, man könnte problemlos den Kontakt mit allen am Herstellungsprozess beteiligten Personen aufnehmen.
Linktipps
- Reportage in der ARD „Der Preis der Blue Jeans„
- Mit jedem Kauf eines „share„-Produkts teilt man ohne abzugeben
- „Stimmt so!“ brand eins über die Motivation beim Trinkgeld