Sie haben sich die roten Schuhe angesehen? Vielleicht gefallen Ihnen auch der dazu passende rote Schal und die rote Mütze? Andere Nutzer, die das gekauft haben, mögen übrigens auch folgende rote Artikel… Mit diesem Prinzip ist nicht nur der Onlinehändler Amazon groß geworden. Ganz ähnlich funktionieren auch die Algorithmen von Facebook, Instagram, TikTok und YouTube.
Während die Online-Händler an den Produkten verdienen, die sie verkaufen, so verdienen die Social-Media-Plattformen ihr Geld mit der Zeit, die wir dort verbringen. Und selbstverständlich verbringen wir unsere Zeit am liebsten mit dem, was uns gefällt. Ganz selbstgefällig schlagen uns die Algorithmen also Inhalte vor, die wir bestimmt mögen und die uns auf der Plattform halten. Das Ergebnis ist unsere scheinbar ganz eigene Komfortzonen-Bubble, die wir aber mit vielen Gleichgesinnten teilen. Mit den Fans von roten Schuhen, von BMW und Bayern München. Nette Leute, mit denen wir auch gerne mehr teilen: Herkunft, Interessen und Ansichten über Politik und Corona.
Das echte Leben ist anders. Hier wären wir wohl ziemlich erstaunt, wenn im Supermarkt nur Leute einkaufen, die uns ähnlich sind. Die ähnliche Dinge aufs Kassenband legen und sich danach auch noch auf den Weg zur gleichen Party machen. Irgendwann würde es uns auffallen, wenn nur noch unsere Lieblingsprodukte im Regal stehen und diese sich nur noch in der Menge und im Rabatt unterscheiden. Wenn auf dem Wochenmarkt nur noch Menschen mit roten Schuhen und Schals rote Tomaten kaufen. Das analoge Leben ist (noch) weniger von Algorithmen geprägt. Und die Algorithmen der Online-Welt sind leider recht engstirnig: Sie ziehen uns immer weiter in unsere Komfortzone hinein und machen es uns so richtig gemütlich.
Wie es wohl wäre, wenn Amazon uns sagen würde: Sie haben jetzt genug rote Schuhe gesehen, versuchen Sie diesen Winter mal die grünen, die stehen Ihnen bestimmt auch. Wenn uns YouTube sagen würde: Sie haben genug Nachrichten zum Krieg und zu Corona gesehen diese Woche, hier sind ein paar lustige Katzenvideos. Instagram zeigt uns derweil mal keine gut trainierten Körper in Fitness-Studios, sondern echte Couchpotatoes. Und auf TikTok bekommen wir statt Krieg und Konsum Nachhaltigkeit und Toleranz vorgeschlagen, statt Komfortzone gibt’s in den Sozialen Netzwerken das ganz normale Leben – wie im Supermarkt auch. Das Verrücke ist: Das wäre mit ein paar Zeilen Code ganz einfach möglich.
Linktipps
- Reportage in der ARD „Der Ukrainekrieg auf tiktok„
Titelbild:
von Markus Spiske auf Pixabay